Interview - Philipp Fankhauser nach schwerer Krankheit: «Ich glaubte, dass ich sterben muss» (2023)

Interview

Philipp Fankhauser nach schwerer Krankheit: «Ich glaubte, dass ich sterben muss»

Eine Krankheit hat Philipp Fankhauser vor zwei ­Jahren aus der Bahn geworfen. Jetzt fühlt er sich ­wieder gesund und schöpft Hoffnung aus seiner ­Musik und seinem neuen Album «Let Life Flow».

Stefan Künzli

Interview - Philipp Fankhauser nach schwerer Krankheit: «Ich glaubte, dass ich sterben muss» (1)

«Sie müssen entschuldigen, aber ich bin schrecklich verschnupft», sagt ­Philipp Fankhauser als er mich in ­seinem Musikzimmer in der Nähe des Flughafens Zürich empfängt. Beim Interview dabei ist auch Fankhausers Hund Trevor.

Der Mops hüpft auf das Sofa, schmiegt sich an meine Beine und schläft sofort ein. Ein beruhigendes Schnarchen begleitet unser Gespräch.

Sie feiern mit dem neuen Album «Let Life Flow» Ihr 30-Jahr-Bühnenjubiläum. Wie fühlt sich das an?

Philipp Fankhauser: Ich bin im Erschrockenen-Status. Im Moment habe ich etwas Mühe. Eine neue Generation Musiker und Musikerinnen ist da, und irgendwie fühle ich mich nicht mehr relevant. Mit 25 hatte ich das Gefühl, dass mir die Welt gehört. Mit 55 gehört einem die Welt nicht mehr. Für den Fortgang der Welt bin ich nicht mehr entscheidend. Umso mehr, als die Machtpositionen der alten weissen Männer immer mehr in Frage gestellt werden. Das hat sich bei den aktuellen Eidgenössischen Wahlen gezeigt. Es ist aber auch gut so, dass junge Politiker und endlich auch mehr Frauen ihre Sicht auf die Welt darlegen können.

Wir sind fast gleich alt, aber ich erlebe das etwas anders. Wir ­werden doch immer älter, sind noch viel länger fit und aktiv?

Aber im Bereich der Musik habe ich schon das Gefühl, dass unsere Gene­ration langsam hinausgedrückt wird. Für mich ist es schon erschreckend, was in der heutigen Zeit als relevant angesehen wird. Wenn ich Songs aus den Charts anhöre, dann muss ich nur den Kopf schütteln. Natürlich: Es stellt sich jener Generationskonflikt ein wie damals mit unseren Eltern. Sie fanden unsere Musik auch schrecklich. Trotzdem: Ich habe das Gefühl, dass Hendrix, Janis Joplin und Deep Purple schon mehr Qualität, mehr ­Gehalt und Substanz hatten als das, was heute als hip gilt.

Aber den Bluesmusiker Fank­hauser gibt’s seit 30 Jahren, Blues noch etwas länger. Ich bin mir nicht sicher, ob Loredana in zwei Jahren noch da ist.

Doch, doch. Die muss doch nur so weiter machen, dann bleibt sie im Gespräch. Darum geht es heute doch. Es spielen andere Mechanismen, es ­ zählen andere Faktoren. Der Fank­hauser, der Blues spielt, ist für die Medien natürlich keine Geschichte wert. Der Ganoven-Rap von Loredana dagegen schon. Und Preise kriegt sie auch noch, wie eben bei den dies­jährigen MTV Music Awards. Dabei geht es nicht um den musikalischen Quatsch, den sie macht. Das kann ja nicht ernsthaft jemandem gefallen. Es gibt mir schon zu denken. Soll ich denn Bankräuber werden?

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Aber Sie sind doch erfolgreich, sind permanent unterwegs, sind gefragt. Können von Ihrer Musik allein mit Konzerten leben. Das ist in der Schweiz nicht ­selbstverständlich.

Ich muss permanent unterwegs sein. Schliesslich habe ich auch eine Verantwortung gegenüber meinen Musikern. Und mein Hund Trevor will auch essen. Ja, ich muss, aber ich will auch unterwegs sein. Ich liebe meinen Job. Ich habe das grosse Privileg, dass ich das machen kann, was ich will. Trotzdem ist es ein täglicher Kampf, dabeizu­bleiben. Wir machen handgemachte Musik, und die ist halt einfach auf­wendig. Im Studio und live. Auf der letzten Tour waren wir mit elf Leuten unterwegs. Der Aufwand ist riesig. Trotz voller Hallen hatten wir ein ­finanzielles Loch zu stopfen.

Wenn ich Songs aus den Charts anhöre, dann muss ich nur den Kopf schütteln.

Verdienen Sie noch mit Ihren Alben?

Unsere Einnahmen aus dem Album­verkauf sind um einen Viertel bis einen ­Drittel eingebrochen. Das ist vergleichsweise wenig. Das hat damit zu tun, dass wir eine etwas ältere Klientel bedienen, die noch physische Ton­träger kauft. Aber viel bleibt nicht.

Sind Ihre Konzerte immer noch gleich gut besucht?

Ich stelle schon einen leichten Rückgang fest. Das hat natürlich damit zu tun, dass wir seit rund 15 Jahren permanent unterwegs sind und in der Schweiz 70 bis 100 Konzerte pro Jahr spielen. Eine gewisse Sättigung kann sich da schon einstellen.

Gölä spielt wenige Konzerte, dafür nur grosse. Wäre das nichts für Sie?

Nein, dazu machen wir die falsche ­Musik. Gölä hat zudem ein paar Songs geschrieben, die heute noch einschenken. Ich kann mir vorstellen, dass er allein von diesen Einnahmen leben kann.

Gölä macht Sachen, auf die ich mich nicht einlassen würde. Das ist mir definitiv zu ‹grüselig›.

Gölä kann jodeln, das müssten Sie als Bueb vom Trueb doch eigentlich auch können?

Nein, das kann ich nicht. Und was Gölä angeht. Er macht auch Sachen, auf die ich mich nicht einlassen würde. Das ist mir definitiv zu «grüselig». (Pause) Aber ich kann Berndeutsch singen.

Ja genau. Das ist eine der Überraschungen auf Ihrem neuen Album «Let Life Flow». Wie kam es dazu?

Da werden in Bern einige den Kopf schütteln. Aber als Trueber muss ich auf mein Plattencover nicht «urchig» schreiben: Ich bin’s. Auch wenn ich ­bisher immer Englisch gesungen habe: Blues ist ziemlich urchig.

Aber wieso jetzt Mundart?

Der Anstoss hat der Tod von Hanery Amman gegeben. Wir waren be­freundet, weshalb ich für das Gedenkkonzert angefragt wurde. Im Vorfeld des Anlasses hat jemand behauptet, dass ich ein Berndeutschhasser sei. Das hat mich unglaublich getroffen und ­hässig gemacht. Denn ich habe schon Mani Matter gesungen, als andere noch in den Windeln steckten.

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Sie singen Hanerys wunderbares Lied «Chasch mer’s gloube» in einer eigenen Version. Folgt jetzt ein Mundartalbum?

Effektiv spiele ich seit Jahren mit diesem Gedanken. Als ich jung war, habe ich «Muschle», den ersten Hit von Rumpelstilz, als Blues gespielt. Was niemand so recht weiss: Ich habe im Laufe der Jahre etwa fünf Mundart­lieder geschrieben. Doch ich finde die Art, wie ich auf Berndeutsch texte, läppisch. Wenn ich etwas machen würde, dann müsste es schon besser als läppisch sein. Ich lasse es also völlig offen.

Haben Sie Ihre Mundartsongs schon mal aufgenommen?

Ja, aber die Kassetten habe ich gut ­versteckt. Um Himmels willen, die darf niemand finden.

Welche Beziehung hatten Sie zu Hanery Amman?

Mit 18 Jahren wollte ich per Autostopp ans Jazzfestival Montreux. Mitgenommen hat mich ein langhaariger Typ in einem verrosteten Japaner. «Kennsch mi ned?», fragte dieser nach einiger Zeit. Weil ich im Tessin aufgewachsen bin, kannte ich ihn tatsächlich nicht. Seither haben wir uns immer wieder getroffen und wurden Freunde.

Aha, deshalb ihre Affinität zur Italianità. Das ist die zweite Überraschung auf «Let Life Flow». Sie interpretieren ein Lied von Lucio Dalla. Wie kam das?

Meine Mutter hat 1974 entschieden, von Thun nach Locarno zu ziehen. Ich habe mich sehr schnell akklimatisiert und bin dort in die normale italienisch- sprachige Schule gegangen. 1982 ­musste ich zurück nach Thun zu meinem Vater, weil ich im Tessin keine gute Lehrstelle gefunden hatte. Aber ich bin mit den grossen italienischen Cant­autori wie Francesco de Gregori und Lucio Dalla aufgewachsen. Im Juli 2012 hätte ich am Konzert in Zürich endlich mein grosses Idol Lucio Dalla kennen gelernt. Es kam leider nicht dazu, denn am Tag zuvor ist er in Montreux gestorben.

Zur Person: Philipp Fankhauser

Der Sänger und Gitarrist Philipp Fankhauser ist 1964 in Thun geboren, in Trueb im Emmental heimatberechtigt, im Tessin aufgewachsen, wo er auch mit dem Gitarren-Spiel begonnen hat, und wohnt heute in Zürich. Er begann seine Bühnenkarriere mit 20 Jahren, nahm 1989 sein erstes Blues-Album auf und ist heute in Sachen Blues die unbestrittene Nummer 1 in der Schweiz.

Live: 15.12. Rubigen; 16.12. Zürich; 20.12. Basel; 17.1. Brugg; 24.1. Solothurn. 7.2. Wil; 14.2. Herisau; 15.2. Chur; 22.2. Aarau; 6.3. Frauenfeld; 14.3. Schaan; 20./21.3. Luzern.

Hat der Albumtitel «Let Life Flow» («Lass das Leben fliessen») einen direkten Bezug zu ihrer Lebens­auffassung?

Ja, den Anstoss hat wieder Montreux gegeben. Bei meinem letztjährigen Konzert am Jazzfestival habe ich den grossartigen amerikanischen Musiker Kenny Neal getroffen, den ich schon von meiner Zeit mit der Blues-Legende Johnny Copeland her kannte. Sein Song «Let Life Flow» hat mich sofort gepackt, auch inhaltlich, weil er zu ­meiner aktuellen Situation passte.

Wie meinen Sie das?

Ich habe Morbus Bechterew, eine Krankheit, die mich immer weniger mobil macht. Die hatte ich schon als Kind, die Diagnose erhielt ich aber erst vor 13 Jahren. Gleichzeitig hat sich eine Krankheit entwickelt, bei der ich ständig zu hohe Zahl an weissen Blutplättchen habe. Im Sommer 2017 stellte mein Arzt fest, dass sich die Werte weiter verschlechtert hatten. Die Diagnose, welche ich erhielt, hat mich aus der Bahn geworfen. Fast ein Jahr lang glaubte ich, dass ich sterben muss. Ich war geplagt von Selbstmitleid, ich war ratlos und wusste nicht, ob und wie es mit meinem ­Leben, mit meiner Musikerkarriere weitergehen sollte. Der Song hat mich aus dieser Phase des Selbstmitleids aufgerüttelt. «Let Life Flow» war für mich wie ein Hoffnungssong. Egal, wie lang ich noch leben sollte, ein oder zwei Jahre: Das Leben ist unberechenbar. Lass es fliessen. Dem Schock ist Gelassenheit und ein gewisser Fatalismus gewichen. Der Song war denn auch der Startschuss für mein neues Album.

Wie geht es Ihnen heute?

Die Krankheit ist zwar noch da, aber seit einem Jahr ist sie stabil und hat sich nicht weiterentwickelt. Vielleicht bewegt sie sich schon bald wieder, ­vielleicht aber auch erst in 20 Jahren. Das wichtigste: In meinem Kopf bin ich wieder gesund. Alle drei vier Monate werde ich untersucht. Ich habe weniger Energie, kann vieles nicht mehr machen und muss deshalb mit meinen Kräften haushälterisch umgehen. Konzerte kann ich wegen dem Adrenalinstoss gut bewältigen, aber danach bin ich jeweils fix und fertig.

Neues Album: «Let Life Flow» Obwohl weitgehend in der Schweiz aufgenommen, knüpft «Let Life Flow» punkto Sound am Vorgängeralbum «I’ll Be Around» an, das Philipp Fankhauser mit einer grossen Band in den Malaco-Studios in Jackson, Mississippi, produziert hat. Trotzdem gibt es eini- ge Überraschungen: Zum ersten Mal singt Fankhauser in seiner Muttersprache Berndeutsch und auf Italienisch. Er interpretiert den wunderbaren Song «Chasch mer’s gloube» in Erinnerung an seinen verstorbenen Freund Hanery Amman sowie «Milano» seines Idols Lucio Dalla. Dazu lernen wir den talentierten Elsässer Sänger und Gitarristen Flo Bauer, 21, kennen, der zwei Songs beigesteuert hat und während der Tour mit an Bord sein wird. Der Titelsong stammt vom amerikanischen Blues-Gitarristen Kenny Neal, der als Gast gleich selber in die Saiten greift. Fankhauser kann «I’ll Be Around» nicht toppen, «Let Life Flow» ist aber ein würdiger Nachfolger auf hohem Niveau.

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Author: Dean Jakubowski Ret

Last Updated: 02/09/2023

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